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31. Juli 2024Inter-Cultural Due Diligence für grenzüberschreitende Merger & Acquisition – Ein integratives Erfolgskonzept
Welche Faktoren entscheiden über Erfolg bzw. Misserfolg grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen? Weswegen scheitern viele, speziell internationale M&A-Projekte? Welche Rolle spielen kulturelle Aspekte, und wie können diese erhoben werden? In welcher Phase des Merger-Prozesses setzt man am besten und mit welchen Maßnahmen an, um kulturelle Dimensionen einzubeziehen? Welche sind die besonderen Herausforderungen an das Management? Was ist zu tun, wenn interkulturelle Konflikte auftreten? Wie kann die rasche Entwicklung einer konstruktiven Unternehmenskultur in internationalen Organisationen unterstützt werden? Diese und weitere Fragen werden analysiert sowie Lösungszugänge aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht dabei das phasenorientierte, integrative Kommunikationskonzept einer Inter-Cultural Due Diligence, die sowohl Unternehmens- als auch Länder- und Branchenkulturen berücksichtigt.
Ein Beitrag von Konrad Noé-Nordberg, ti communication (Erstveröffentlichung in "Unternehmenskultur in der Praxis", 2. Auflage, Springer Verlag, 2024)
Inter-Cultural Due Diligence für grenzüberschreitende Merger & Acquisition – Ein integratives Erfolgskonzept
Welche Faktoren entscheiden über Erfolg bzw. Misserfolg grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen? Weswegen scheitern viele, speziell internationale M&A-Projekte? Welche Rolle spielen kulturelle Aspekte, und wie können diese erhoben werden? In welcher Phase des Merger-Prozesses setzt man am besten und mit welchen Maßnahmen an, um kulturelle Dimensionen einzubeziehen? Welche sind die besonderen Herausforderungen an das Management? Was ist zu tun, wenn interkulturelle Konflikte auftreten? Wie kann die rasche Entwicklung einer konstruktiven Unternehmenskultur in internationalen Organisationen unterstützt werden? Diese und weitere Fragen werden analysiert sowie Lösungszugänge aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht dabei das phasenorientierte, integrative Kommunikationskonzept einer Inter-Cultural Due Diligence, die sowohl Unternehmens- als auch Länder- und Branchenkulturen berücksichtigt.
Trial and Error zu Beginn
Ein namhaftes österreichisches Industrieunternehmen, nennen wir es Vorbild AG, hat bei seinen ersten Auslandsakquisitionen vor über zehn Jahren im Rahmen von klassischen Due-Diligence-Prüfungen zwar alle sogenannten Hard Facts erhoben und analysiert, aber keine kulturspezifischen Kriterien beachtet. Bald wurde aufgrund verzögerter und mangelhafter Zielerreichung sowie genaueres Hinsehen offensichtlich, dass insbesondere Unternehmens- und Länderkulturen für den Erfolg solcher Projekte signifikant mitentscheidend sind. Die Frage lautete daher: Wie können kulturelle Aspekte zeitgerecht, effizient sowie zielorientiert erhoben und gemanagt werden? Bei der nächsten Akquisition der Vorbild AG in der Volksrepublik China wurden dahingehende Überlegungen und Konzepte erfolgreich angewendet.
Länderkultur bei M&A – wozu?
Rechtlich bzw. wirtschaftlich unterscheidet man bei Unternehmensverbindungen zwischen folgenden Begriffen, wobei die Grenzen oft unscharf verlaufen: Merger (Verschmelzung) und Acquisition (Übernahme). Diese werden nachstehend gemeinsam als M&A behandelt, wissend dass es sich in der Praxis de facto mehrheitlich um Übernahmen handelt.
Entwicklung der Due Diligence
Due Diligence ist ursprünglich ein US-amerikanischer Rechtsbegriff, deutsch meist als „erforderliche Sorgfalt“ bezeichnet. Im Laufe der Zeit fand eine Übertragung auf den Wirtschaftsbereich der Unternehmenszusammenschlüsse statt. Im Rahmen der Due Diligence wird das zu erwerbende Unternehmen einer Analyse in Bezug auf Chancen und Risiken unterzogen, wobei der Fokus meist auf der – im Wesentlichen vergangenheitsorientierten – Wertermittlung liegt. Klassisch werden fünf Arten der Due Diligence unterschieden: marktbezogene, finanzielle, steuerliche, rechtliche und umweltorientierte Due Diligence.
In den vergangenen Jahren haben sich, durch eine stärker qualitäts- und potenzialorientierte Perspektive, weitere spezielle Formen entwickelt. Zuerst unter anderem die die Unternehmenskulturen betrachtende Cultural Due Diligence (CDD), später auch die zusätzlich Branchen- und vor allem Länderkulturen einbeziehende Inter-Cultural Due Diligence (ICDD). Diese drei Ebenen sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten und können daher auch nicht getrennt analysiert werden. Vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig.
Trotz der dadurch gesteigerten Komplexität ist es auf jeden Fall zweckmäßig und zielführend, möglichst früh im M&A-Prozess ein umfassendes Kulturbild zu bekommen. Nur so können zeitgerecht die richtigen Integrationsmaßnahmen und Interventionen gesetzt werden. Müller und Gelbrich (2015, S. 68) formulieren dies so: „Vor allem bei internationalen Fusionen sorgt die Unvereinbarkeit der jeweiligen multiplen kulturellen Bindung der Fusionspartner (an Nationalstaaten, Unternehmen, globale und Third Cultures) regelmäßig für kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Der Fall DaimlerChrysler demonstrierte in dramatischer Weise, welch hohes Scheiterrisiko solchen Verbindungen innewohnt.“ Und weiter in Bezug auf DaimlerChrysler (2015, S. 505 f.): „Sowohl die Landeskulturen als auch die Unternehmenskulturen der Beteiligten erwiesen sich letztlich als unvereinbar.“ Beispielhaft werden Werte wie Qualitätsdenken, Flexibilität, offene oder geschlossene Bürotüren sowie Kommunikation angeführt. Oft vernachlässigte Soft Facts erweisen sich letztendlich stets als Hard Facts: Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schätzte in der Süddeutschen Zeitung vom 17. Mai 2010 die verlorenen Kosten dieser Ehe auf rund 40 Milliarden Euro!
DaimlerChrysler ist keineswegs eine unrühmliche Ausnahme darin, dass kulturelle Differenzen sowie persönliche Fehleinschätzungen zu kostspieligen Abenteuern führen. Vodafone mit Mannesmann, Sanofi mit Aventis, Alcatel-Lucent und viele andere Zusammenschlüsse blieben lange hinter den Erwartungen und Zielen zurück. Studien wie jene von Jansen (2005) sowie Böhlke und Walleyo (2006) kommen zum Ergebnis, dass weit weniger als 50 % grenzüberschreitender Unternehmensübernahmen bzw. -zusammenschlüsse von Erfolg gekrönt sind. Eine Studie der Hay Group, die sich auf die 100 größten europäischen Transaktionen in den Jahren von 2004 bis 2007 bezieht, zeichnet ein besonders dramatisches Bild: Nur 9 % konnten als erfolgreich eingestuft werden! In der Conclusion der Hay-Studie (2007, S. 14) heißt es: „Yet buyers must pay due attention to a company’s real value: that which is found in its boardroom, human capital and business culture. A keen strategic focus on these intangible assets is vital not just during courtship, but throughout the merger process, if acquirer and acquired are to enjoy a long and prosperous future together.“
Blöcher (2004, S. 234) hat erhoben, dass 81 % der befragten Unternehmensmanagerinnen die Bedeutung der Unternehmenskultur für den Erfolg einer M&A-Transaktion als hoch einschätzen. Trotz umfangreicher Erfahrungen mit der Globalisierung treten die erhofften Synergieeffekte dennoch oft nicht ein. Als Grund werden meistens nicht nur Unternehmens-, sondern auch nicht kompatible Landeskulturen angegeben.
Kultur, Organisation und Due Diligence
Das Lösungskonzept in Form einer Inter-Cultural Due Diligence hat neben der faktischen, operativen Dimension einer Due-Diligence-Prüfung (finanziell, rechtlich, steuerlich, technisch etc.) das Ziel und die Aufgabe, bei internationalen M&A-Projekten nach messbarer Analyse und Diagnose Maßnahmen zu setzen, einem möglichen Misserfolg aufgrund der zweiten, nämlich der kulturellen Dimension entgegenzuwirken. Hierbei ist insbesondere auch auf sogenannte Landeskulturen zu achten. Der Anthropologe und Ethnologe Edward T. Hall gilt als Begründer der interkulturellen Kommunikation. Bei ihm lautet die kürzeste und prägnanteste Kulturdefinition sinngemäß: „Kultur = Kommunikation“ (1959, S. 186). In Konsequenz ist Organisationskultur der Organisationskommunikation gleichzusetzen.
In unserem Kontext sind sowohl Unternehmens- als auch „Länder“kulturen relevant. Jede Nation oder Volksgruppe formt durch das jeweilige politische System und seinen kulturspezifischen Sozialisationsprozess Individuen und damit in weiterer Folge die Mitarbeiterinnen eines Unternehmens sowie demzufolge auch dessen Kultur. Der Beweis für die Resilienz von Länderkulturen wurde dadurch erbracht, dass Geert Hofstede in seinen IBM-internen Studien länderspezifische Unterschiede identifiziert hat, obwohl die Forschungserhebungen innerhalb ein und derselben Organisation stattgefunden haben (vgl. www.geert-hofstede.com). Herbrand (2002, S. 16) merkt zur praktischen Relevanz an: „Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Mitarbeiterinnen in Stress- und Unsicherheitssituationen auf landeskulturelle Verhaltensmuster zurückgreifen. Offenbar sind diese stärker als unternehmenskulturelle Werte.“ Als konzeptionelle Lösung empfiehlt sich daher ein Modell für sogenannte Länder- oder Nationalkulturen, in dem vor allem durch die Reduktion der heterogenen Komplexität einer sich auf vielen Ebenen ausdrückenden, dynamischen Wirklichkeit ein zielorientiertes, gestaltendes Agieren ermöglicht wird. Dabei werden sowohl kulturelle Unterschiede also auch Gemeinsamkeiten berücksichtigt.
Die Integration von Unternehmenskulturen, insbesondere unter Nutzung eines ganzheitlichen Kommunikationskonzeptes sowie unter Einbeziehung von Länderkulturen, erfordert eine neue, systematische Herangehensweise und Lösungskonzeption.
Herausforderung Kultur und Kommunikation
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar“ vertraut der Fuchs dem kleinen Prinzen in Antoine de Saint-Exupérys Märchen an. Die Herausforderung lautet daher: Wie kann das Wesentliche doch sichtbar gemacht, können „blinde Flecken“ einer Organisation verkleinert und wie erfolgsrelevante Soft Skills, Werte, Einstellungen und Normen in das Management integriert werden? Robbins (1987) verlagert die Diskussion von „ist zielgerichtete, gesteuerte Änderung von Organisationskultur möglich“ zu „unter welchen Umständen ist Änderung möglich“ und argumentiert, dass, wenn Managerinnen ihre Organisationen nicht durch Kulturwandel führen könnten, das Konzept bestenfalls akademischen Wert habe. Eine besondere Herausforderung, aber gleichzeitig auch Chance zur Kulturänderung, bieten dabei internationale M&A-Projekte.
Einflussfaktoren einer M&A-Transaktion
Die bedeutendsten Misserfolgsfaktoren bei M&A sind nach Furtner (2011) folgende, wobei auch die Reihung zu beachten ist:
- Zu unterschiedliche Kulturen
- Wenig Erfahrung mit M&A
- Wenig Zeit für M&A-Aktivität
- Rein finanzieller Fokus
- Machtstreben der Manager
- Ehrlichkeit in Einschätzung ist nicht gegeben
- Lückenhafte Strategiefindungsprozesse
- Vernachlässigung der Post-Merger-Integration-Phase
- Mitarbeiterängste werden nicht beachtet
- Feindliche Übernahme
Diesen stellt Furtner nachstehende Erfolgsfaktoren gegenüber:
- Analyse zu Beginn
- Einbeziehung der Mitarbeiter
- Ausreichende Managementkapazität
- Auseinandersetzung mit Kulturdifferenzen
- Adäquate Post-Merger-Integration
- Erfahrene M&A-Teams
- Umfassende Due Diligence
- Gute externe Berater
- Adäquate Kommunikation
- Integrations-Know-how
Die von Furtner (2011) bestätigte Relevanz der Analyse – inklusive kultureller Aspekte – zu Beginn des Prozesses ist unter anderem deshalb vorrangig, weil ansonsten eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Strategie und Integration fehlt. „Auch Scholz befürwortet als ersten Schritt, noch vor der Überprüfung der Verträglichkeit zur Landeskultur des Akquisitionspartners, eine Analyse der eigenen Kultur“ (Schuppener 2006, S. 72). Dies wird durch eine Studie von Deutsch und West der McKinsey & Company (2010, S. 7) als Partner der Post Merger Integration Conference ergänzt. 92 % der darin Befragten sehen die klare Notwendigkeit, ein viel stärkeres Augenmerk auf Kultur zu legen.
Führungsstil und Akquisitionsziel
Der zusätzlich zur Unternehmenskultur und mit dieser zusammenhängende zweite erfolgsentscheidende kulturspezifische Faktor ist jener des Führungsstils. In der genannten Studie (Deutsch und West 2010, S. 7) heißt es dazu: „Part of the problem may be that, especially when integrating companies are in the same or similar businesses, their top executives tend to assume they are ‚just like us’ and dismiss the need for deep cultural analysis. Likewise, when the CEOs in a deal get along with each other, they tend to assume that their companies will get along equally well. No two companies are cultural twins, and companies seldom get along with each other as easily as their executives might. In fact, the survey establishes that the issue of culture comes down to two fundamental problems: understanding both cultures and providing the right amount and type of leadership.“ Der drittgereihte Faktor „Choice of Target“ (Deutsch und West 2010, S. 7), also die Wahl des optimalen Akquisitionszieles, ist strategische Folge der Planung in der PMA (Pre-Merger Analysis). Wodurch die Bedeutung des richtigen Timings unter Berücksichtigung kultureller Faktoren bestätigt wird.
Conclusio von Deutsch und West (2010, S. 5): „many deals need to look beyond the value that justified the transaction, opening the aperture to find new sources of synergies and value. The survey showed that the due diligence in most deals can overlook as much as 50 percent of the potential merger value. Survey respondents also admitted that due diligence is inadequate in more than 40 percent of their deals. Companies clearly need to improve and expand their due diligence.“
Auch die von Rothlauf (2012, S. 119 f.) zitierten Studien ergeben, dass 91 % der Befragten folgende Frage bejahen: „Do cultural differences often proof to be an obstacle?“ Bei Müller und Gelbrich (2015, S. 506) heißt es unter dem Punkt „Vor- und Nachbereitung der Fusion“ auf Basis regelmäßiger Erhebungen der Unternehmensberatung Bain & Company, „‚due diligence’ nicht ernsthaft genug und schon gar nicht als ‚cultural due diligence’ betrieben“ sowie „die weichen, aus unverträglichen Unternehmenskulturen erwachsenden Hemmnisse falsch beurteilt zu haben“.
Der Kommunikationsspielraum während des Transaktionsprozesses bleibt naturgemäß bis zum Closing sehr begrenzt. Dadurch entstehen Gerüchte bei vielen Stakeholdern, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln oft eine ablehnende Haltung aufgrund ihrer negativen Erwartungen. Daher ist es ab dem Zeitpunkt der Ankündigung eines derartigen Vorhabens umso wichtiger, eine vorausschauende, laufende und transparente Kommunikationspolitik zu praktizieren, um Unsicherheiten und Ängste zu reduzieren. Die Kommunikationsstrategie muss darüber hinaus auf Lieferanten, Kunden und bei Bedarf weitere Betroffene ausgedehnt werden.
Der Versuch, Unternehmenskulturen zu verzahnen, verursacht durch Betonung der kulturellen Unterschiede oft übertriebene Abgrenzungen und aktiviert Ablehnung in beiden Organisationen. Es gilt, von vorneherein, auf Grundlage identifizierter Gemeinsamkeiten, mögliche Konflikte zu vermeiden und konstruktiv mit auftretenden umzugehen. Im Idealfall produziert kulturelle Heterogenität Kreativität und Innovationskraft und erhöht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit.
Neuere empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch die Erstellung sogenannter Kulturprofile im Rahmen einer kulturellen Due Diligence positive Effekte in der Harmonisierung beider Kulturen ergeben.
Die scheinbar abstrakte Komplexität der im interkulturellen Kontext besonders wichtigen qualitativen Dimension in Form der Inter-Cultural Due Diligence ist Hauptursache dafür, warum viele „faktenorientierte“ Führungskräfte ihre Bedeutung nicht erkennen können oder wollen. Auch sprachliche Unterschiede werden nicht ausreichend beachtet. Dadurch erhöhen Managerinnen insgesamt unwissentlich das Risiko eines Scheiterns der M&A-Transaktion.
Kulturpolitik als umfassender Managementansatz
Bei der Akquisition eines Industrieunternehmens in China wurden von der Vorbild AG als erstes mögliche Probleme sowie strategische Ziele definiert. Dabei wurde unsere Expertise als externer Berater beigezogen. Der Ausgangspunkt war, dass im Integrationsprozess grundsätzlich zwischen zwei potenziellen Konfliktquellen in Bezug auf kulturelle Integrationsprobleme unterschieden werden kann.
Einerseits fehlt eine Übereinstimmung inhaltlicher Art zwischen dem informellen sowie formellen Werte- und Normensystem der Unternehmen. Informelle Elemente sind nur schwer zu entschlüsseln und erst über einen längeren Zeitraum im Kern zu verstehen. Die damit verbundenen Probleme werden im Laufe der Zeit zunehmend erkennbar, und Lösungen können durch ein geeignetes Kommunikationskonzept und Anlaufstellen gefunden werden.
Andererseits entstehen Konflikte durch die Veränderung bestehender sichtbarer Praktiken, Systeme, Strukturen und Prozesse. Veränderungen während der Integration sind mit neuen Verhaltensanforderungen verbunden, und somit wird die in der Kultur liegende Konsistenz erheblich gestört. Als Beispiel kann hier angeführt werden, dass ein neues oder gar zwei divergierende Entlohnungssysteme etabliert werden sollen. Es spielt auch eine große Rolle, ob es sich um eine freundliche oder „feindliche“ Transaktion handelt. In letzterem Fall muss die ICDD einerseits besonders beachtet werden, andererseits mag es Widerstände Betroffener geben. Die Verfügbarkeit und Ermittlung erforderlicher Daten kann dadurch eingeschränkt werden. Das Konfliktpotenzial hängt im Wesentlichen von der Integrationsstrategie ab. Wir unterscheiden zwischen drei praktikablen Strategien einer Kulturpolitik: Kulturpluralismus, Kulturkombination und Kulturübernahme. Die Anwendbarkeit dieser Ansätze hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Ausmaß des Cultural Gaps.
Im Kulturpluralismus sollen kreative und motivationale Elemente jeder Unternehmenskultur erhalten werden. Das heißt, selbst dem übernommenen Unternehmen wird größtmögliche Flexibilität bezüglich autonomer Entscheidungen gewährt. Die Unternehmen sind bestrebt, eine kulturelle Vielfalt zu entwickeln, da sich daraus Vorteile wie verschiedene Perspektiven und Inputs ergeben, die bei organisatorischen Problemen zu schnellerer und effektiverer Lösungsfindung führen. Probleme könnten sich hier insoweit ergeben, dass Synergien nicht im gewünschten Maße erzielt werden, da die Risikoverteilung im Vordergrund steht.
Bei der Kulturkombination ist es das Ziel, die Stärken beider Kulturen miteinander zu vereinen. Es bleibt somit keine der beiden Kulturen, so wie sie existierten, bestehen. In diesem Ansatz gilt es, die verschiedenen Elemente zu kombinieren. Wobei keine Kultur
dominieren soll, um eine einheitliche harmonisierte, dritte bzw. neue Unternehmenskultur zu erschaffen. Voraussetzungen für die Kombination sind die Flexibilität beider Unternehmen, intensive Kommunikation sowie Interaktion.
Im Fall der Kulturübernahme wird die Kultur des akquirierten Unternehmens durch die beherrschende Kultur des übernehmenden ersetzt. Durch das Aufzwingen der neuen Kultur kommt es zu einer Vielzahl von Spannungen und Konflikten. Zur Verringerung dieser Konflikte kann möglicherweise ein sehr gutes Image des Käufers bezüglich Fairness, Glaubwürdigkeit und Erfolg führen. Im Fall der Vorbild AG wurde eine differenzierte Kulturkombination angestrebt. Es wurden vorab offen mögliche Risiken und Nachteile erörtert, um einen erfolgreichen Einsatz der Cultural Due Diligence nicht zu gefährden. Die ICDD setzt professionelles Management, persönliche Ressourcen sowie Erfahrung voraus. Diese waren hier, nicht zuletzt aufgrund bereits früher getätigter Akquisitionen, vorhanden. Des Weiteren wurden die zusätzlichen Kosten evaluiert und die Überzeugung gewonnen, dass diese bestens investiert sind und einen hohen Return on Investment gewährleisten. Letztendlich erfordert die ICDD einen zeitlichen Aufwand, der sich allerdings durch Vermeidung von Konflikten sowie raschere produktive Integration der Organisationen nachträglich mehrfach wieder kompensieren sollte. Die benötigte Datenbasis war einerseits bereits vorhanden, andererseits konnten fehlende Informationen großteils erhoben werden.
Phasen der Inter-Cultural Due Diligence
M&A-Transaktionen sind komplexe Prozesse, die nur hilfsweise als Phasenmodell dargestellt werden können. Eine genaue Abgrenzung der Teilphasen ist nicht möglich. Als strategischer Ansatz sowie zur Orientierung für die Integration von ICDD in M&A-Prozessen haben sich Phasenmodelle bewährt, die den chronologischen Ablauf einer M&A-Transaktion wiedergeben sollen. Strähle (2004, S. 16 f.) stellt zum Beispiel Fünfphasenmodelle vor. In der Praxis haben sich Dreiphasenmodelle bewährt. Solche Konzepte finden sich unter anderem bei Strähle (2004, S. 20 ff.) sowie bei Schuppener (2006, S. 12 ff.). Diese Modelle können auch sehr gut in gegenseitiger Ergänzung mit Lanes Mapping-Bridging-Integrating-(MBI-)Modell eingesetzt werden (Lane und Maznevksi 2014, S. 71 ff.).
Analyse, Strategie und Konzeption der Pre-ICDD in der Pre-Merger-Analyse (PMA)
- Als erstes erfolgt im Sinne des Mapping eine Analyse der eigenen Unternehmenskultur (wenn möglich mittels Mitarbeiterinnenbefragungen etc.) sowie der Branchenkultur. Zu letzterer gehört auch die strategische Positionierung innerhalb der Branche,im Verhältnis zu Konkurrenten und die Wahrnehmung bei den Kunden. Anschließend wird die Strategie inklusive Identifikation potenzieller Partner erstellt. In der folgenden Kulturdiagnose werden die Landes- und Branchenkulturen sowie die Kulturen der (so weit wie möglich beiden) Unternehmen verglichen. Wissenschaftlich fundierte Befragungen ergänzen die Analyse ebenso wie die Einbeziehung öffentlich zugänglicher Daten wie zum Beispiel die Studie von Geert Hofstede (2005) und die GLOBE-Studie (House et al. 2004) oder Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie glassdoor und kununu (https://www.glassdoor.at/index.htm bzw. https://www.kununu.com). Hofstede arbeitet bevorzugt mit seinen fünf ursprünglichen Länder-Kulturdimensionen (2005, S. 39–240). Des Weiteren weist er (2005, S. 348) insbesondere auch auf die Relevanz einer Kulturanalyse hin: „It is advisable to let foreign (and domestic) acquisitions be preceded by an analysis of the cultures of the corporation and of the acquisition candidate […]. Cross-national mergers are therefore extremely risky. […] an analysis of the corporate and national cultures of the potential partners should be part of the process of deciding to merge“. Auf dieser Grundlage werden alle erfassten Daten nach einem pragmatisch-intuitiven Ansatz typologisiert und instrumentalisiert. Es folgt dieFeststellung des mehr oder weniger groben „Cultural Fit“, also der Kompatibilität der Unternehmens- und Länderkulturen.
- Durch Identifikation „kultureller Distanzen“ werden Chancen sowie potenzielle kulturelle Risiken (Dealbreaker) erkannt und Maßnahmen für eine Risikominimierung bei gleichzeitiger Chancenoptimierung definiert.
- In dieser Phase können die Vorverträge (Letter of Intent, Vertraulichkeitserklärungen) unterzeichnet werden.
Durchführung der Main-ICDD in der Phase der Merger-Transaktion (MTA)
- Erster Schritt ist hier die Erstellung einer detaillierten, spezifischen ICDD (Vergleich der beiden Unternehmen, zum Beispiel mittels Mitarbeiterinnenbefragungen). Die Zielkultur wird – basierend auf dem bekanntem Ist-Zustand und der strategischen Kulturpolitik – entwickelt und mit fortlaufender Transaktion zunehmend vertieft und angepasst.
- Es folgt die Festlegung der Transaktionsstruktur inklusive erforderlicher Maßnahmen für die Post-ICDD. Die Integrationsstrategie wird gemeinsam mit dem Management formuliert und bei der Unternehmensbewertung einbezogen.
- Closing und Eigentumsübergang schließen diese Phase ab.
Umsetzung der Maßnahmen der Post-ICDD in der Post-Merger-Integration (PMI)
- Durchführung von Trainings, Coachings, Workshops, Mediationen, Projektteams, Austauschprogrammen etc. zur raschen Integration. Das Akkulturationsmanagement hat das Ziel einer hohen Akzeptanz des Veränderungsprozesses bei den Mitarbeiterinnen.
- Resultat sind Strategieumsetzung und Kulturwandel.
- Die Erfolgsmessung und das Integrations-Controlling sowie gegebenenfalls Anpassungen und Korrekturen stellen die Post-ICDD im engeren Sinn dar.
Zur für den Erfolg mitentscheidenden ersten Phase bezieht sich Rothlauf (2012, S. 121) auf das Beratungsunternehmen KPMG, das festhält: „Successful acquirers take the long term view and recognize that the cost of their investment in pre-dealing planning is minimal compared to the potential impact of failing to generate the desired level of return from the transaction“.
Fünf Ziele der ICDD auf fünf Säulen der Interkulturellen Integration
Laut Müller und Gelbrich (2015, S. 521) sind Entscheidungskriterien der Cultural Due Diligence „u. a. Führungsstil, Innovationsfähigkeit, Konfliktstil, Offenheit gegenüber der Unternehmensumwelt. Besonderes Interesse gilt dem Konfliktstil“ aufgrund möglicher interkultureller Missverständnisse und Unverträglichkeiten. Ein Aspekt ist dabei die Frage von tendenziell mehr Kooperation versus Wettbewerbsverhalten. Auch die allgemein zu erwartende Dominanz des übernehmenden gegenüber dem übernommenen Unternehmen muss schon a priori berücksichtigt werden. Von allen Veränderungen aufgrund einer M&A-Transaktion sind außerdem Abteilungen, Teams und Altersgruppen unterschiedlich betroffen, was die Frage der individuell angepassten Integrationsmaßnahmen aufwirft.
Nachstehende, zu beachtende Zielparameter und Basisprinzipien einer ICDD erhöhen entscheidend die Erfolgsaussichten einer internationalen M&A-Transaktion
Ziele der Inter-Cultural Due Diligence
Die wichtigsten Ziele einer ICDD können basierend auf Forschung sowie eigener Empirie zusammengefasst wie folgt definiert werden.
- Die Bewältigung kultureller Unterschiede, da diese – nach der Kundenbindung sowie mit Auswirkung auf dieselbe – am zweitwichtigsten für den Erfolg des Projektes ist. Die Kundenbindung setzt die Aufrechterhaltung des operativen Geschäftes während aller Merger-Phasen voraus. Sie ist somit eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Strategie und Integrationskonzept.
- Eine erfolgreiche Transaktion setzt bereits die richtige „Choice of Target“, also die Wahl des optimalen Akquisitionszieles voraus, wofür kulturelle Faktoren beachtet werden müssen.
- Die multikulturelle Organisation als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil durch Cultural Due Diligence in allen Phasen von M&A-Prozessen ist in Form aktiven Integrationsmanagements sicherzustellen.
- ICDD ermöglicht und unterstützt rasche und produktive Zusammenarbeit verschiedener Kulturen sowie Steigerung der Innovationskraft und Synergieeffekte, inklusive konstruktives Konfliktmanagement.
- Die ICDD erhöht entscheidend die Chancen, dass die Ziele einer M&A-Transaktion planmäßig sowie zeitgerecht erreicht werden.
Basierend auf diesen Zielen, Empirie sowie wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Pre-Merger-Analyse (PMA), Merger-Transaktion (MTA) und Post-Merger-Integration (PMI) von Unternehmenskulturen bei internationalen M&A-Transaktionen wurde ein pragmatisches Diagnosekonzept entwickelt, um Länder- sowie Unternehmenskulturen in einem transkulturellen Zusammenhang zu integrieren. Dieses Konzept ist so aufgebaut, dass es zu den gängigen Gesamtintegrationsmodellen kompatibel ist und somit als passendes Modul für die Integration verschiedener Kulturen bei internationalen M&A-Transaktionen dienen kann. Gleichzeitig reduziert es die Risiken durch frühzeitigen Einsatz einer ICDD. Weitere Kernelemente des Konzeptes sind begleitende Trainings- und Coaching-Maßnahmen sowie phasenkonforme Prozessbegleitung und Unterstützung.
Die fünf Säulen der Interkulturellen Integration
Ergänzend empfehlen wir nachstehende Maßnahmen und Einstellungen als Grundlage erfolgreicher Integration.
- Kulturverständnis: Dieser Bereich deckt das Verstehen der jeweiligen Landes- und Unternehmenskultur der beiden zu integrierenden Unternehmen ab, das aus der in der PMA-Phase durchgeführten ICDD resultiert.
- Klare Zielvorstellungen und Umsetzungswillen im Top-Management: Klare Vorstellungen bezüglich der Ergebnisse, die nach der Integration erreicht werden sollen, müssen bereits im Vorfeld der Integrationsphase definiert, deren Umsetzung im Laufe der Integration kontrolliert und vom Top-Management mit deutlichem Umsetzungswillen begleitet werden. Die PMA und die aus der PMA resultierende Strategie haben entscheidende Bedeutung.
- Interkulturelle Trainings, Schulungsmaßnahmen und Coaching: Um potenzielle landes- und unternehmenskulturelle Differenzen zu überbrücken und allen Beteiligten die notwendige interkulturelle Kompetenz zu vermitteln, müssen interkulturelle Trainings, Schulungsmaßnahmen und Coaching durchgeführt werden.
- Interkulturelle Integrationsteams und Mediatoren sowie externe Experten: Um die kulturelle Integration zu forcieren, sollten interkulturelle Integrationsteams und Mediatoren eingesetzt sowie externe Experten mit relevanter Erfahrung zur Unterstützung genutzt werden. Im Konfliktfall müssen sie kurzfristig zur Verfügung stehen.
- Ganzheitliches interkulturelles Kommunikationskonzept: Eine ganzheitliche Kommunikationsstrategie zur Integration von Unternehmenskulturen stellt speziell in einem interkulturellen Kontext einen erfolgsentscheidenden Faktor dar.
Es handelt sich somit primär um Top-down-, bei Bedarf auch um Bottom-up-Maßnahmen. Gleichzeitig ist interne mit externer Expertise ab Beginn des Projektes mit klaren Zielen und auf allen Ebenen zu verknüpfen.
Kritische Erfolgsfaktoren
Die in der ICDD einzusetzenden Module werden maßgeschneidert und anforderungsabhängig erstellt. Ihre Kombination folgt dem Grundsatz des ganzheitlichen Ansatzes ohne Trennung in harte und weiche Faktoren. Die größte Herausforderung besteht dabei immer in der spezifischen Integration in den Gesamtprozess, denn die Komplexität eines transkulturellen Zusammenschlusses von Unternehmen erfordert die Berücksichtigung zahlreicher Rückkoppelungen und kausaler Zusammenhänge:
- Die ICDD selbst ist kultursensibel und beeinflusst ihrerseits den Due-Diligence-Prozess. Kultursensibel heißt, dass die Wahrnehmung aller aus ihr resultierenden vorgenommenen oder unterlassenen Handlungen davon abhängt, wo und wie die Rezipienten sozialisiert worden sind. Die Due Diligence wird somit von Beteiligten und Betroffenen nicht einheitlich beurteilt werden, und die Reaktionen auf diese Interven-
tion werden unterschiedlich ausfallen. - Der „richtige“ Zeitpunkt bzw. die Fragestellung: Wann und wo setze ich an? Hier spielt einerseits der Aspekt des Vertrauens eine entscheidende Rolle, andererseits jener der Geheimhaltung. Tendenziell ist im angloamerikanischen Raum eine allumfassende Due Diligence schon vor dem Closing leichter möglich als „im Rest der Welt“.
- Der meist vorhandene Zeitdruck erfordert klare und einfache Prozesse sowie effizient vorbereitete und integrierte Tools für Analyse, Beratung und Begleitung.
- Jede Art der Datenerhebung ist kultursensibel (Frage von Vertrauen, Verständnis für
das Thema etc.). - Die Quantifizierbarkeit und Auswirkung auf den Unternehmenswert (Integrationskosten versus -nutzen). Genau in diesem Bereich kommt die Relevanz der ICDD besonders zum Tragen.
- Die gleichzeitige Abgrenzung und Überschneidung von Landes- mit Unternehmenskulturen als Voraussetzung für eine integrative, phasenorientierte ICDD.
Die kulturelle Verzahnung zweier Unternehmenskulturen ist ein wichtiges Kriterium für den Erfolg eines Unternehmenszusammenschlusses. Folgende Aspekte sind im Vorfeld zu prüfen:
- Demographische Variablen
- Organisationsformen
- Personalrekrutierung, -struktur und -entwicklung
- Führungsstile
- Umgang mit Fehlern, Ideen und Innovationen
- Gelebte Praktiken, Werte und Überzeugungen
- Managementqualifizierung
Um den Cultural Fit beider Unternehmen zu untersuchen, werden qualitative Interviews mit Mitarbeiterinnen und Führungskräften aus verschiedenen Ebenen geführt, eine Analyse von Dokumenten (Stellenbeschreibungen, Mitarbeiterzeitungen, Intranetplattformen) vorgenommen, eine ergänzende Mitarbeiterinnenbefragung durchgeführt sowie Kundenmeinungen eingeholt.
Die kulturelle Due Diligence wird Schritt für Schritt durchgeführt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Organisationen korrekt einschätzen zu können. Es wird sowohl eine Erhebung der eigenen Unternehmenskultur sowie die Einschätzung jener des Partners vorgenommen. Anschließend erfolgt eine Analyse der Anreizsysteme, wie Vergütungs- und Bonifikationssysteme, Sozialleistungen, Einstellungskriterien und Beförderungspraxis. Schließlich sind Führungs- und Managementstile zu erfassen sowie eine Prüfung vorzunehmen, welche Form der Kulturzusammenführung (Kulturpluralismus, Kulturkombination, Kulturübernahme) geeignet ist.
Rothlauf stellt fest: „Communication is a critical factor in the successful handling of M&As“ (2012, S. 124). Um ein optimales Integrationsergebnis zu erreichen, werden daher die gewonnenen Informationen auch durch zahlreiche Integrations-Workshops, Managementseminare und Arbeitsgruppen auf die Praxis umgelegt. Im Rahmen der Work- shops werden Kernthemen geklärt und von den Mitarbeiterinnen gemeinsam ihre Umsetzung erarbeitet. Es werden Spielregeln für die Zusammenarbeit erstellt und der Auftritt nach außen definiert, wobei eine kaskadenförmige Durchführung, ausgehend vom Top-Management, bedeutend ist. Ein weiterer positiver Aspekt der Integrations-Workshops ist die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens und der Vertrauensbildung. Es können spezielle Fragen, wie „Wie können wir unser Handeln im Team nach einer einheitlichen Strategie ausrichten?“ oder „Wie können Stressoren bewältigt werden?“, geklärt werden. Training-, Coaching- und Moderationsmaßnahmen sind weitere wichtige Bausteine der erfolgreichen Integration. Durch die Einführung von Feedbackschleifen (regelmäßige Befragungen bzw. Quickchecks) kann die Wirksamkeit der Integrationsmaßnahmen kontrolliert werden.
Ergebnisse und Nutzen des integrativen Kommunikationskonzepts mit ICDD
Um den Erfolg der Kulturintegration zu messen, müssen frühzeitig Messkriterien für das Integrations-Controlling definiert werden. Diese Key Performance Indicators waren beim chinesischen Projekt der Vorbild AG in erster Linie folgende, differenziert für jede der beiden Organisationen:
- Mitarbeiterinnenzufriedenheit und -motivation
- Fluktuationsrate, Krankenstände
- Halten von Schlüsselpersonal, High Potentials und Leistungsträgern
- Kundenloyalität bzw. -verluste
- Umsätze
- EBIT
- Gesamter Unternehmenswert
Die Messbarkeit war durch firmeninterne Daten sowie Mitarbeiterinnen- und Kundenbefragungen gegeben. Eine besonders große Herausforderung war die erforderliche Vergleichbarkeit der Daten in den zwei Ländern und Organisationen. Kultursensible Gewichtungen und ergänzende Analysen reduzierten das Risiko von Fehlinterpretationen. Erhebung und Auswertung der Daten erfolgten daher in mehreren Schritten und bestätigten letztendlich signifikant bessere Integrationsergebnisse als in den vorangegangenen M&A-Transaktionen.
Der identifizierte Nutzen des Konzeptes lässt sich wie nachstehend zusammenfassen:
- Wahrung der Geheimhaltung durch Analyse externer (auch landesspezifischer) Kulturfaktoren bereits vor dem Closing
- Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit und Entscheidungssicherheit (auch in Bezug auf das Akquisitionsziel) in der ersten Phase
- Klare PMI- und Kommunikationsstrategie von Anfang an
- Raschere Integration und Synergie der Organisationen bzw. Vermeidung von Zeitverlust aufgrund kultureller Missverständnisse, Konflikte und Ineffizienzen
- Geringere Unsicherheiten bei allen Stakeholdern
- Reduktion der Kosten
- Größerer Umsatz und Ertrag nach der Integration
- Zielerreichung und Erfolg der neuen Organisation in der kritischen Post-Merger-Phase des Unternehmens ist sichergestellt
- Erhöhte Innovations- und Lösungskompetenz
- Konsultatives statt nur beschreibendes Verfahren
Interkulturelle Führung, Unternehmenskultur und Mitarbeiterinnenbefragungen
Für die aktive Gestaltung von Unternehmenskultur im Rahmen transnationaler Akquisitionen müssen wir abschließend noch folgende zentrale Frage stellen: Wie ist interkulturelle Leadership als entscheidender Erfolgsfaktor bei Mitarbeiterinnenbefragungen (MAB) erfassbar, und weswegen ist es empfehlenswert, diesen Aspekt zu erheben?
Die Antworten sind ebenso vielschichtig wie einfach. Durch die Globalisierung erforderliches geo- oder polyzentrisches Denken erhöht die Deutungsoptionen und -ebenen für Führungskräfte. Es erfordert das Erfassen von Situationen und Systemen (aktueller Kontext), der Zugehörigkeiten zu Kulturkreisen (Sozialisierung) und von individuellen emotionalen Zuständen (psychologisch) aller Beteiligten gleichzeitig und ist daher höchst komplex. Nennen wir dies „Interkulturelle Kompetenz“ im weiteren Sinne. Um Führungskräfte in dieser Situation zu unterstützen, die richtigen Entscheidungen treffen zu können, muss aus Vermutungen Wissen gemacht und müssen die „blinden Flecken“ in einer Organisation verkleinert werden.
Wir denken bei Entwicklung interkultureller Kompetenz primär daran, wie Führungskräfte in konkreten Interaktionen individuell wirkungsvoller werden. Wollen wir interkulturelle Leadership allerdings nachhaltig aufbauen, muss Entwicklung ergänzend auf zwei weiteren Ebenen erfolgen. Einerseits auf der Teamebene (Wie helfen Führungskräfte ihren Teams, eine konstruktive interkulturelle Teamkultur zu entwickeln?) sowie andererseits auf der organisatorischen Ebene (Wie schaffen Führungskräfte eine Unternehmensstruktur und -kultur, in der positive Interkulturalität und Leadership überhaupt möglich sind?).
Voraussetzung ist die strategische Integration interkultureller Leadership in die Business- und Corporate-Ebenen einer Organisation. Im Falle internationaler Unternehmungen spielt das Ausbalancieren zwischen lokalen Leitungsteams und konzernweiter Führung eine entscheidende Rolle. Es handelt sich dabei um einen kontinuierlichen Verhandlungsprozess. Durch Einbezug verschiedener kultureller Ansätze kann das Führungsrepertoire der Gesamtorganisation erweitert werden. Mitarbeiterinnenbefragungen können entscheidend dazu beitragen, eine international wettbewerbsfähige Unternehmenskultur zu schaffen. Klassische und standardisierte Feedbackinstrumente und -techniken weisen einen stark westlich-angelsächsischen Ansatz auf. Daher sind sie extrem kontextunspezifisch und kulturgebunden. Sowohl harmonieorientierte, indirekt kommunizierende, kontextspezifische Kulturen (wie zum Beispiel viele asiatische Kulturen) als auch affektiv weniger neutrale Kulturen (zum Beispiel aus dem Mittelmeerraum) haben damit oft Mühe.
Der Vorteil einer multiperspektivischen und tendenziell systemischen Herangehensweise besteht darin, dass eine vorschnelle Reduktion auf landeskulturelle Faktoren vermieden wird. Als weiterer Vorteil kann interkulturelle Führungskompetenz über die MAB auch in das Performance-Management internationaler Organisationen integriert werden.
Inter-Cultural Due Diligence als Standard
Die Vorbild AG hat ihre Lektion gelernt. Sie setzt zunehmend entsprechende Maßnahmen und Tools ein, um Akquisitionsziele zu identifizieren und gegebenenfalls den gesamten Merger-Prozess zu begleiten. Stets werden externe Berater beigezogen, um einen Tunnelblick zu vermeiden, Herausforderungen zu erkennen und die besten möglichen Lösungen zu identifizieren. Mit dem Effekt, dass die Investitionsziele wesentlich rascher, friktionsfreier und mit geringerem Aufwand erreicht werden.
Auch Rothlauf (2012, S. 125 ff.) schildert gelungene Fusionen. So etwa jene der Deutschen Bank mit Bankers Trust. „In einer sehr frühen Phase wurden grundlegende Überlegungen zum Business-Integrationsmodell angestellt“ (2012, S. 126). „Lange vor Vertragsabschluss war zu prüfen, wie Einstellungs- und Beförderungspraktiken oder Kompetenzprofile und Vergütungssysteme der beiden Unternehmen zueinander passen oder zu harmonisieren sind. Übergeordnet und unerlässlich ist die Prüfung, ob die beiden Wertesysteme ausreichend übereinstimmen. Einsichten in die gelebten Unternehmenskulturen zu gewinnen, war Gegenstand des Cultural-Assessment, als der erste Schritt des umfassenden Kulturmanagement-Prozesses“ (2012, S. 127).
Was spricht nun dagegen, die ICDD genauso zu einem Standardinstrument bei internationalen M&A-Projekten zu machen, wie beispielsweise die Tax oder Legal Due Diligence? De facto nichts, was zu rechtfertigen wäre – aber alles spricht dafür! Die ICDD muss entsprechend strategisch ab der ersten Phase sowie professionell in Form eines integrativen Gesamtkonzeptes eingesetzt werden. Nur so kann sie voll wirksam werden und den Erfolg von internationalen M&A-Transaktionen nachhaltig unterstützen.
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