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5. Oktober 2021Unsere Trainer*innen Konrad Noé-Nordberg und Karin Schreiner standen Rede und Antwort zum Thema Interkulturelle Kompetenz. Was die beiden Expert*innen darunter verstehen und was sie sonst noch dazu zu sagen hatten, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
https://www.magazintraining.com/bedeutet-9-uhr-wirklich-9-uhr/
Die ist ein Beitrag von Christoph Wirl, erschienen im Magazin TRAiNiNG am 15. September 2021.
Unser Geschäftsführer des österreichischen Standorts Konrad Noé-Nordberg sowie unsere langjährige Trainerin Karin Schreiner stehen Rede und Antwort zum Thema Interkulturelle Kompetenz. Was die beiden Expert*innen darunter verstehen und was sie sonst noch dazu zu sagen hatten, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Je globaler sich das Wirtschaftsleben gestaltet, umso wichtiger wird es, sich mit den unterschiedlichen Kulturen auseinanderzusetzen. Sobald sich Mitarbeitende und Führungskräfte im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen stimmig verhalten, bieten sich für alle enorme Chancen.
»Ein Land mit nur einer Sprache und einer Sitte ist schwach und gebrechlich. Darum ehre die Fremden und hole sie ins Land.« Dieses Zitat stammt bereits aus dem 10. Jahrhundert von Stephan I., dem König von Ungarn. Schon damals war offenbar klar, dass Vielfalt wichtig für ein Land ist. Immer mehr Unternehmen erkennen den Vorteil für sich, den verschiedene Kulturen und damit einhergehend verschiedene Denkweisen für ein Unternehmen bieten können.
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie leicht es heutzutage ist, internationale Teams mittels Videokonferenzen zu verbinden. Vorausgesetzt, die Teammitglieder sind offen für die Andersartigkeit der verschiedenen Kulturen. Diese Offenheit und der bewusste Umgang damit fallen unter den Begriff »interkulturelle Kompetenz«, der allerdings nicht ganz klar definiert ist. TRAiNiNG hat daher bei zwei Expert*innen nachgefragt, was nun konkret unter diesem Begriff verstanden wird.
Konrad Noé-Nordberg: »Am besten kann die Frage anhand eines Beispieles beantwortet werden – aber auch dies ist eben nur ein Beispiel von unendlich vielen. Am wichtigsten ist die Fähigkeit des Perspektivenwechsels. Eine westliche Frau etwa, die von einem muslimischen Mann nicht angesehen wird, wird dies in vielen Fällen als Geringschätzung seinerseits interpretieren. Genauso gut kann es aber ein Ausdruck von Respekt und Höflichkeit sein, weil direkter Blickkontakt als ›Anmachen‹ empfunden werden könnte und der Mann diesen Eindruck vermeiden möchte. Die Frau sollte sich somit fragen bzw. sich dessen bewusst sein, dass die Vermeidung des Blickkontakts auch ein betontes Signal von Wertschätzung sein kann. Gründe für ein bestimmtes Verhalten gilt es immer zu klären.«
Karin Schreiner (Inhaberin Intercultural Know How – Training & Consulting) über den Begriff »interkulturelle Kompetenz«: »Die Fähigkeit, mit Empathie, Unvoreingenommenheit und Respekt, aber auch mit einem sozialen Rollenbewusstsein, Menschen mit unterschiedlichem und vielfältigem kulturellem Hintergrund zu begegnen. Dabei ist wichtig, sich selbst zurückzunehmen und sich zu überlegen, wie diese Person, mit der man interagiert, auf die eigene Interaktions- und Kommunikationsweise reagieren könnte.«
Der Begriff »Toleranz« fällt vielen vermutlich in diesem Zusammenhang ein. Interkulturelle Kompetenzen umfassen jedoch mehr, nämlich auch das Know-how über die andere Kultur, also über den richtigen Umgang mit diesen Menschen. Die Corona-Krise hat Menschen einerseits voneinander entfernt (Stichwort »Social-Distancing«) andererseits durch den digitalen Schub näher zueinander gebracht. Hat Corona auch etwas hinsichtlich interkultureller Kompetenzen verändert?
Karin Schreiner: »Interkulturelle Kompetenzen als komplexe Fähigkeit im Allgemeinen haben sich meiner Meinung nach nicht verändert. Möglicherweise ist uns durch die Isolation im Lock-down bewusst geworden, wie sehr uns kulturelle Vielfalt gefehlt hat. Das heißt, wir schätzen möglicherweise heute, durch die Erfahrung dieser Krise, diese Kompetenz als wichtiger ein. Denn in Bezug auf die virtuellen Begegnungen in häufig sehr internationalen Zoom-Meetings wurde ersichtlich, wie limitiert die Kommunikation in diesem Rahmen ist. Es wurde uns bewusster, wie wichtig die Aufmerksamkeit gegenüber verbaler und nonverbaler Signale ist, weil diese in derartigen Settings auf ein Minimum reduziert sind. Moderatoren haben die anspruchsvolle Aufgabe, auf die minimierten Signale zu reagieren. Zum Beispiel zu erkennen, wenn jemand ansetzt, etwas zu sagen ohne deutliche Zeichen zu setzen. Oder wenn jemand anderer Meinung ist und kaum bemerkbare Signale sendet – die Aufmerksamkeit zu haben, diese Personen in die Diskussion mit reinzuholen, ist zentral und gehört zu interkultureller Kompetenz. Ich denke, uns ist bewusst geworden, wie wichtig interkulturelle Kompetenzen sind, um eine effektive Kommunikation in einem internationalen Kontext zu führen – virtuell oder in Präsenz.«
Konrad Noé-Nordberg: »Ein Aspekt ist, dass die Corona-Krise in jeder Kultur anders wahrgenommen und gemanagt wurde und wird. Die Gründe dafür beinhalten auch eine starke kulturelle Dimension. Weiters sind direkte persönliche Kontakte teilweise gegen Null gerasselt. Die Frage des Händeschüttelns als Begrüßungsritual verursacht bei uns derzeit oft Unsicherheit, in vielen asiatischen Ländern geht es niemandem ab. Das geforderte Abstandhalten wird in Teilen Afrikas als unangenehm empfunden und sollte geklärt werden. Diese Fragen stellen sich virtuell nicht. Durch die Nutzung digitaler Kommunikationskanäle sind multikulturelle Teams und Kooperationen entstanden, die so früher nicht möglich gewesen sind. Es sind dafür andere bzw. zusätzliche Kompetenzen gefordert. ›Trust needs Touch‹ steht dafür, dass Vertrauen in vielen Kulturen besonders wichtig ist und physischen Kontakt mit einschließt. Missverständnisse können daher gerade virtuell besonders leicht passieren, weil die Beziehungsebene schwächer ist. Die nonverbale Kommunikation ist virtuell allgemein sehr eingeschränkt. Vertrauen schaffen aus Distanz, Ambiguitätstoleranz, Nachfragen und Feedbackkompetenz sind daher besonders hilfreich.«
Vorteile von internationalen Teams
Eine gemeinsame Sprache verbindet auf den ersten Blick und vereinfacht die gemeinsame Zusammenarbeit. Warum ist es nun vorteilhaft, wenn Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenkommen? Junge Unternehmen, Start-ups, verwenden häufig von Anfang an Englisch als Firmensprache, auch wenn sie anfangs ausschließlich deutschsprachige Mitarbeiter*innen haben. Das erleichtert auf längere Sicht, global zu rekrutieren, zu verkaufen sowie neue Märkte zu erschließen. In der Forschung haben sich einige weitere Vorteile von internationalen Teams herauskristallisiert:
- Unterschiedliche Kulturen nehmen verschiedene Blickwinkel ein und sehen dadurch möglicherweise unkonventionelle Lösungen - So können Innovationen leichter entstehen
- Internationale Teams bündeln das Know-how der einzelnen Kulturen.
- Kulturübergreifende Zusammenarbeit fördert die Kreativität und die Kommunikation aller Teammitglieder.
- Es entwickeln sich zwangsläufig interkulturelle Kompetenzen von »ganz allein«.
- Eine eventuelle Nähe zum Markt ermöglicht ein flexibleres Reagieren auf neue regionale Entwicklungen und Trends.
TRAiNiNG fragt die beiden Experten*innen, für welche Unternehmen und in welchen Positionen Kompetenzen im Umgang mit verschiedenen Kulturen besonders wertvoll und wichtig sind.
Konrad Noé-Nordberg: »Kaum ein Unternehmen hat ausschließlich ›kulturell homogene‹ Kontakte. Nur die erforderliche Qualität der interkulturellen Kompetenz mag unterschiedlich sein, etwa im Gesundheitswesen oder in internationalen Konzernen. Vor allem Führungskräfte sind gefordert, Vorbild zu sein sowie ihren Mitarbeitern die technischen Möglichkeiten und persönlichen Voraussetzungen zu geben, damit diese sowohl virtuell als auch analog erfolgreich kommunizieren können. Mitglieder multikultureller Teams sowie international Agierende sind natürlich besonders aufgerufen, laufend an ihren interkulturellen Kompetenzen zu arbeiten. Expats ganz besonders für das jeweilige Land ihres Einsatzes. Exportreisende benötigen eine sehr gute kulturallgemeine Sensibilität, aber dafür weniger bzw. nicht so tiefe kulturspezifische.«
Karin Schreiner sieht das ähnlich: »Heute braucht man interkulturelle Kompetenzen in allen Unternehmen. Einerseits in Unternehmen, die nach außen international agieren und deren Mitarbeitende im Ausland arbeiten – in welcher Form auch immer. Andererseits ist heute die Belegschaft in den meisten Unternehmen international und kulturell vielfältig. Unsere Gesellschaft ist multikulturell, viele Menschen haben Migrationshintergrund oder sind bikulturell, haben Auslandserfahrung, sind nach Österreich eingewandert, um hier zu arbeiten. Diese kulturelle Vielfalt erfordert interkulturelle Kompetenzen von allen Beteiligten – allen voran von den Führungskräften. Sie sollten mit respektvollem, empathischem und unvoreingenommenem Verhalten ein Vorbild für alle Mitarbeiter sein. Ich bin der Meinung, dass interkulturelle Kompetenz nicht von der Position abhängig ist. Auch auf den untersten Ebenen im Unternehmen braucht es einen respektvollen Umgang miteinander – gerade dort. Dennoch haben Führungspersonen Vorbildfunktion und gerade sie dürfen sich nicht von dieser Pflicht ausnehmen.«
Fettnäpfchen im Umgang mit anderen Kulturen
Jede Kultur hat ihre Eigenarten, diese zu kennen und zu akzeptieren, erleichtert den Umgang. Viele Fauxpas entstehen häufig durch Unwissenheit. Und das beginnt nicht erst bei der Begrüßung. Selbst wahren Expert*innen in diesem Bereich passieren immer noch kleine Missverständnisse.
Konrad Noé-Nordberg erzählt von einem persönlichen »Fettnäpfchen«: »Vor einiger Zeit hatte ich einen Termin um 9 Uhr morgens bei einem Geschäftspartner in Athen in dessen Privathaus. Ich war pünktlich da und habe an der Tür geläutet. Nichts geschah. Erst nach wiederholtem Klingeln hat sich im Haus etwas getan. Der Hausherr hat mir im Morgenmantel die Tür geöffnet und war sehr erstaunt, dass ich schon da war. Er hatte nicht bedacht, dass ich Österreicher bin und den Morgenverkehr eingerechnet hatte. Und ich hatte vorab nicht eindeutig hinterfragt, wann ich tatsächlich erwartet werden würde. 9 Uhr hat in diesem Fall wohl geheißen, so ab 9.30 im Laufe des Vormittags. Das Schöne ist, dass das Fettnäpfchen meist keine negativen Konsequenzen hat, sobald man es thematisiert. Ganz im Gegenteil kann dies sogar dazu führen, dass die wechselseitigen Perspektiven und Erwartungen ausgetauscht werden, zum Schmunzeln führen und die Beziehungsebene gestärkt wird. Sowie mehr Vertrauen entsteht.«
Bei der Begrüßung sind sich ebenfalls viele Menschen unsicher, wenn sie auf andere Kulturen treffen. Wo gibt man sich die Hand, wo lächelt man sich nur an und verbeugt sich voreinander? In manchen Teilen Chinas wird das Händeschütteln teilweise sogar als unhöflich empfunden. Die Kleidung bzw. das gesamte äußere Erscheinungsbild bieten etliche Möglichkeiten sich zu blamieren.
Karin Schreiner: »Die Frage nach der Herkunft eines Menschen wird oft leichtfertig gestellt. Mir passiert es heute zwar immer weniger, aber es ist mir passiert, dass ich hier in Wien eine Person aufgrund ihres Aussehens oder ihres Namens nach ihrer Herkunft gefragt habe und erfahren musste, dass sie in Österreich geboren ist und sich als Österreicher fühlt.«
Auch der Smalltalk kann für Missverständnisse sorgen. Hier unterscheiden sich Österreicher*innen bereits sehr von ihren deutschen Nachbarn. Während hierzulande ein langer, ausgiebiger Smalltalk zum guten Ton gehört, kommen viele Deutsche gerne gleich zum Punkt. Das kann für Österreicher*innen unhöflich und unsympathisch wirken. Andererseits nervt deren Geschwafel die Deutschen manchmal, da sie Diskussionen über das Wetter herzlich wenig interessieren, sie sind ja schließlich hier, um Geschäfte zu machen. Selbst das passende Trinkgeld sollte überlegt bzw. recherchiert werden. Es kann für einen Geschäftskontakt komisch wirken, wenn man z. B. in den USA sehr wenig Trinkgeld gibt. Das kann einen hoffentlich guten Eindruck des Geschäftsessens schnell wieder zunichte machen.
Interkulturelle Kompetenzen lernen
Sie erkennen schon, das Thema ist umfangreich und vielfältig. Es zahlt sich jedenfalls aus, in ein Seminar zu investieren, um Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen zu gewinnen. Wie solche Seminare ablaufen, beschreiben uns die beiden Expert*innen und Trainer*innen.
Karin Schreiner: »Im Seminar gibt es viele Übungen zu kulturellem Bewusstsein, Reflexion der eigenen Werte, die in den jeweiligen Bezugsgruppen vertreten werden. Natürlich auch Wahrnehmungsübungen, um aufzuzeigen, dass unsere Wahrnehmung sehr von der eigenen Kultur geprägt ist. Wir machen außerdem Übungen zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypen und zur Entwicklung von Empathie. Um unterschiedliche Kommunikationsstile zu erkennen und darauf einzugehen, gibt es auch tolle Kommunikationsübungen. Die meisten dieser Übungen können auch online durchgeführt werden.«
Konrad Noé-Nordberg: »Theoretische Inputs – wenn diese wirklich einen Mehrwert bringen und zum Einsatz kommen – übe ich gerne mit realen Praxisfällen der Teilnehmer. Eine Möglichkeit sind Rollenspiele. In Online-Trainings funktionieren diese vor allem dann sehr gut, wenn auch die praktische Anwendung virtuell ist. Ein Fallbeispiel, Quiz oder Test kann sowohl virtuell als auch analog gut zum Üben, Benchmarken oder Wiederholen eingesetzt werden. Eine gute Alternative zu theoretischen Inputs ist es, den Prozess umzudrehen. Die Seminarteilnehmer erarbeiten dann anhand eines – wenn möglich eigenen – Fallbeispiels so etwas wie Theorie bzw. Erklärungen und Lösungsansätze selbst. Die sind dann spezifisch, emotional verankert und sitzen am besten. Für Face-to-Face-Zusammenarbeit sind Online-Verhaltenstrainings von der Wirkung her naturgemäß reduziert. Dennoch machen sie oft Sinn, wenn etwa nicht alle Betroffenen zu einem Präsenztraining anreisen können. Besser ein Online-Training als gar keines!«
Fazit
Das Üben von richtigen Verhaltensweisen im Umgang mit kulturell unterschiedlichen Kolleg*innen, Vorgesetzten oder Kund*innen zahlt sich aus. Unbewusstes Daneben-Benehmen kann negativ wirken und in der Folge für Missverständnisse sorgen. In guten Seminaren wird die eigene Einstellung hinterfragt, Theorie vermittelt und viel geübt, um das nächste internationale Meeting professionell zu meistern.