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11. Juni 2024Inter-Cultural Due Diligence für grenzüberschreitende Merger & Acquisition – Ein integratives Erfolgskonzept
Welche Faktoren entscheiden über Erfolg bzw. Misserfolg grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen? Weswegen scheitern viele, speziell internationale M&A-Projekte? Welche Rolle spielen kulturelle Aspekte, und wie können diese erhoben werden? In welcher Phase des Merger-Prozesses setzt man am besten und mit welchen Maßnahmen an, um kulturelle Dimensionen einzubeziehen? Welche sind die besonderen Herausforderungen an das Management? Was ist zu tun, wenn interkulturelle Konflikte auftreten? Wie kann die rasche Entwicklung einer konstruktiven Unternehmenskultur in internationalen Organisationen unterstützt werden? Diese und weitere Fragen werden analysiert sowie Lösungszugänge aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht dabei das phasenorientierte, integrative Kommunikationskonzept einer Inter-Cultural Due Diligence, die sowohl Unternehmens- als auch Länder- und Branchenkulturen berücksichtigt.
Ein Beitrag von Konrad Noé-Nordberg, ti communication (Erdtveröffentlichung in "Unternehmenskultur in der Praxis", 2. Auflage, Springer Verlag, 2024)
Inter-Cultural Due Diligence für grenzüberschreitende Merger & Acquisition – Ein integratives Erfolgskonzept
Welche Faktoren entscheiden über Erfolg bzw. Misserfolg grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen? Weswegen scheitern viele, speziell internationale M&A-Projekte? Welche Rolle spielen kulturelle Aspekte, und wie können diese erhoben werden? In welcher Phase des Merger-Prozesses setzt man am besten und mit welchen Maßnahmen an, um kulturelle Dimensionen einzubeziehen? Welche sind die besonderen Herausforderungen an das Management? Was ist zu tun, wenn interkulturelle Konflikte auftreten? Wie kann die rasche Entwicklung einer konstruktiven Unternehmenskultur in internationalen Organisationen unterstützt werden? Diese und weitere Fragen werden analysiert sowie Lösungszugänge aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht dabei das phasenorientierte, integrative Kommunikationskonzept einer Inter-Cultural Due Diligence, die sowohl Unternehmens- als auch Länder- und Branchenkulturen berücksichtigt.
Trial and Error zu Beginn
Ein namhaftes österreichisches Industrieunternehmen, nennen wir es Vorbild AG, hat bei seinen ersten Auslandsakquisitionen vor über zehn Jahren im Rahmen von klassischen Due-Diligence-Prüfungen zwar alle sogenannten Hard Facts erhoben und analysiert, aber keine kulturspezifischen Kriterien beachtet. Bald wurde aufgrund verzögerter und mangelhafter Zielerreichung sowie genaueres Hinsehen offensichtlich, dass insbesondere Unternehmens- und Länderkulturen für den Erfolg solcher Projekte signifikant mitentscheidend sind. Die Frage lautete daher: Wie können kulturelle Aspekte zeitgerecht, effizient sowie zielorientiert erhoben und gemanagt werden? Bei der nächsten Akquisition der Vorbild AG in der Volksrepublik China wurden dahingehende Überlegungen und Konzepte erfolgreich angewendet.
Länderkultur bei M&A – wozu?
Rechtlich bzw. wirtschaftlich unterscheidet man bei Unternehmensverbindungen zwischen folgenden Begriffen, wobei die Grenzen oft unscharf verlaufen: Merger (Verschmelzung) und Acquisition (Übernahme). Diese werden nachstehend gemeinsam als M&A behandelt, wissend dass es sich in der Praxis de facto mehrheitlich um Übernahmen handelt.
Entwicklung der Due Diligence
Due Diligence ist ursprünglich ein US-amerikanischer Rechtsbegriff, deutsch meist als „erforderliche Sorgfalt“ bezeichnet. Im Laufe der Zeit fand eine Übertragung auf den Wirtschaftsbereich der Unternehmenszusammenschlüsse statt. Im Rahmen der Due Diligence
wird das zu erwerbende Unternehmen einer Analyse in Bezug auf Chancen und Risiken unterzogen, wobei der Fokus meist auf der – im Wesentlichen vergangenheitsorientierten – Wertermittlung liegt. Klassisch werden fünf Arten der Due Diligence unterschieden: marktbezogene, finanzielle, steuerliche, rechtliche und umweltorientierte Due Diligence.
In den vergangenen Jahren haben sich, durch eine stärker qualitäts- und potenzialorientierte Perspektive, weitere spezielle Formen entwickelt. Zuerst unter anderem die die Unternehmenskulturen betrachtende Cultural Due Diligence (CDD), später auch die zusätzlich Branchen- und vor allem Länderkulturen einbeziehende Inter-Cultural Due Diligence (ICDD). Diese drei Ebenen sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten und können daher auch nicht getrennt analysiert werden. Vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig.
Trotz der dadurch gesteigerten Komplexität ist es auf jeden Fall zweckmäßig und zielführend, möglichst früh im M&A-Prozess ein umfassendes Kulturbild zu bekommen. Nur so können zeitgerecht die richtigen Integrationsmaßnahmen und Interventionen gesetzt werden. Müller und Gelbrich (2015, S. 68) formulieren dies so: „Vor allem bei internationalen Fusionen sorgt die Unvereinbarkeit der jeweiligen multiplen kulturellen Bindung der Fusionspartner (an Nationalstaaten, Unternehmen, globale und Third Cultures) regelmä-
ßig für kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Der Fall DaimlerChrysler demonstrierte in dramatischer Weise, welch hohes Scheiterrisiko solchen Verbindungen innewohnt.“ Und weiter in Bezug auf DaimlerChrysler (2015, S. 505 f.): „Sowohl die Landeskulturen
als auch die Unternehmenskulturen der Beteiligten erwiesen sich letztlich als unvereinbar.“ Beispielhaft werden Werte wie Qualitätsdenken, Flexibilität, offene oder geschlossene Bürotüren sowie Kommunikation angeführt. Oft vernachlässigte Soft Facts erweisen sich letztendlich stets als Hard Facts: Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schätzte in der Süddeutschen Zeitung vom 17. Mai 2010 die verlorenen Kosten dieser Ehe auf rund 40 Milliarden Euro!
DaimlerChrysler ist keineswegs eine unrühmliche Ausnahme darin, dass kulturelle Differenzen sowie persönliche Fehleinschätzungen zu kostspieligen Abenteuern führen. Vodafone mit Mannesmann, Sanofi mit Aventis, Alcatel-Lucent und viele andere Zusammen-
schlüsse blieben lange hinter den Erwartungen und Zielen zurück. Studien wie jene von Jansen (2005) sowie Böhlke und Walleyo (2006) kommen zum Ergebnis, dass weit weniger als 50 % grenzüberschreitender Unternehmensübernahmen bzw. -zusammenschlüsse von
Erfolg gekrönt sind. Eine Studie der Hay Group, die sich auf die 100 größten europäischen Transaktionen in den Jahren von 2004 bis 2007 bezieht, zeichnet ein besonders dramatisches Bild: Nur 9 % konnten als erfolgreich eingestuft werden! In der Conclusion der Hay-
Studie (2007, S. 14) heißt es: „Yet buyers must pay due attention to a company’s real value: that which is found in its boardroom, human capital and business culture. A keen strategic focus on these intangible assets is vital not just during courtship, but throughout the merger process, if acquirer and acquired are to enjoy a long and prosperous future together.“ Blöcher (2004, S. 234) hat erhoben, dass 81 % der befragten Unternehmensmanagerinnen die Bedeutung der Unternehmenskultur für den Erfolg einer M&A-Transaktion als
hoch einschätzen. Trotz umfangreicher Erfahrungen mit der Globalisierung treten die erhofften Synergieeffekte dennoch oft nicht ein. Als Grund werden meistens nicht nur Unternehmens-, sondern auch nicht kompatible Landeskulturen angegeben.
Kultur, Organisation und Due Diligence
Das Lösungskonzept in Form einer Inter-Cultural Due Diligence hat neben der faktischen, operativen Dimension einer Due-Diligence-Prüfung (finanziell, rechtlich, steuerlich, technisch etc.) das Ziel und die Aufgabe, bei internationalen M&A-Projekten nach messbarer Analyse und Diagnose Maßnahmen zu setzen, einem möglichen Misserfolg aufgrund der zweiten, nämlich der kulturellen Dimension entgegenzuwirken. Hierbei ist insbesondere auch auf sogenannte Landeskulturen zu achten. Der Anthropologe und Ethnologe Edward T. Hall gilt als Begründer der interkulturellen Kommunikation. Bei ihm lautet die kürzeste und prägnanteste Kulturdefinition sinngemäß: „Kultur = Kommunikation“ (1959, S. 186). In Konsequenz ist Organisationskultur der Organisationskommunikation gleichzusetzen. In unserem Kontext sind sowohl Unternehmens- als auch „Länder“kulturen relevant. Jede Nation oder Volksgruppe formt durch das jeweilige politische System und seinen kulturspezifischen Sozialisationsprozess Individuen und damit in weiterer Folge die Mitarbeiterinnen eines Unternehmens sowie demzufolge auch dessen Kultur. Der Beweis für die Resilienz von Länderkulturen wurde dadurch erbracht, dass Geert Hofstede in seinen IBM-internen Studien länderspezifische Unterschiede identifiziert hat, obwohl die Forschungserhebungen innerhalb ein und derselben Organisation stattgefunden haben (vgl. www.geert-hofstede.com). Herbrand (2002, S. 16) merkt zur praktischen Relevanz an: „Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Mitarbeiterinnen in Stress- und Unsicherheitssituationen auf landeskulturelle Verhaltensmuster zurückgreifen. Offenbar sind diese stärker als unternehmenskulturelle Werte.“ Als konzeptionelle Lösung empfiehlt sich daher ein Modell für sogenannte Länder- oder Nationalkulturen, in dem vor allem durch die Reduktion der heterogenen Komplexität einer sich auf vielen Ebenen ausdrückenden, dynamischen Wirklichkeit ein zielorientiertes, gestaltendes Agieren ermöglicht wird. Dabei werden sowohl kulturelle Unterschiede also auch Gemeinsamkeiten berücksichtigt. Die Integration von Unternehmenskulturen, insbesondere unter Nutzung eines ganzheitlichen Kommunikationskonzeptes sowie unter Einbeziehung von Länderkulturen, erfordert eine neue, systematische Herangehensweise
und Lösungskonzeption.
Herausforderung Kultur und Kommunikation
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar“ vertraut der Fuchs dem kleinen Prinzen in Antoine de Saint-Exupérys Märchen an. Die Herausforderung lautet daher: Wie kann das Wesentliche doch sichtbar gemacht, können „blinde
Flecken“ einer Organisation verkleinert und wie erfolgsrelevante Soft Skills, Werte, Einstellungen und Normen in das Management integriert werden? Robbins (1987) verlagert die Diskussion von „ist zielgerichtete, gesteuerte Änderung von Organisationskultur möglich“ zu „unter welchen Umständen ist Änderung möglich“ und argumentiert, dass, wenn Managerinnen ihre Organisationen nicht durch Kulturwandel führen könnten, das Konzept bestenfalls akademischen Wert habe. Eine besondere Herausforderung, aber gleichzeitig auch Chance zur Kulturänderung, bieten dabei internationale M&A-Projekte.
Einflussfaktoren einer M&A-Transaktion
Die bedeutendsten Misserfolgsfaktoren bei M&A sind nach Furtner (2011) folgende,
wobei auch die Reihung zu beachten ist:
- Zu unterschiedliche Kulturen
- Wenig Erfahrung mit M&A
- Wenig Zeit für M&A-Aktivität
- Rein finanzieller Fokus
- Machtstreben der Manager
- Ehrlichkeit in Einschätzung ist nicht gegeben
- Lückenhafte Strategiefindungsprozesse
- Vernachlässigung der Post-Merger-Integration-Phase
- Mitarbeiterängste werden nicht beachtet
- Feindliche Übernahme
Diesen stellt Furtner nachstehende Erfolgsfaktoren gegenüber:
- Analyse zu Beginn
- Einbeziehung der Mitarbeiter
- Ausreichende Managementkapazität
- Auseinandersetzung mit Kulturdifferenzen
- Adäquate Post-Merger-Integration
- Erfahrene M&A-Teams
- Umfassende Due Diligence
- Gute externe Berater
- Adäquate Kommunikation
- Integrations-Know-how
Die von Furtner (2011) bestätigte Relevanz der Analyse – inklusive kultureller Aspekte – zu Beginn des Prozesses ist unter anderem deshalb vorrangig, weil ansonsten eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Strategie und Integration fehlt. „Auch Scholz befürwortet als ersten Schritt, noch vor der Überprüfung der Verträglichkeit zur Landeskultur des Akquisitionspartners, eine Analyse der eigenen Kultur“ (Schuppener 2006, S. 72). Dies wird durch eine Studie von Deutsch und West der McKinsey & Company (2010, S. 7) als Partner der Post Merger Integration Conference ergänzt. 92 % der darin Befragten sehen die klare Notwendigkeit, ein viel stärkeres Augenmerk auf Kultur zu legen.
Führungsstil und Akquisitionsziel
Der zusätzlich zur Unternehmenskultur und mit dieser zusammenhängende zweite erfolgsentscheidende kulturspezifische Faktor ist jener des Führungsstils. In der genannten Studie (Deutsch und West 2010, S. 7) heißt es dazu: „Part of the problem may be that, especially when integrating companies are in the same or similar businesses, their top executives tend to assume they are ‚just like us’ and dismiss the need for deep cultural analysis. Likewise, when the CEOs in a deal get along with each other, they tend to assume that their companies will get along equally well. No two companies are cultural twins, and companies seldom get along with each other as easily as their executives might. In fact, the survey establishes that the issue of culture comes down to two fundamental problems: understanding both cultures and providing the right amount and type of leadership.“ Der drittgereihte Faktor „Choice of Target“ (Deutsch und West 2010, S. 7), also die Wahl des optimalen Akquisitionszieles, ist strategische Folge der Planung in der PMA (Pre-Merger Analysis). Wodurch die Bedeutung des richtigen Timings unter Berücksichtigung kultureller Faktoren bestätigt wird.
Conclusio von Deutsch und West (2010, S. 5): „many deals need to look beyond the value that justified the transaction, opening the aperture to find new sources of synergies and value. The survey showed that the due diligence in most deals can overlook as much as 50 percent of the potential merger value. Survey respondents also admitted that due diligence is inadequate in more than 40 percent of their deals. Companies clearly need to improve and expand their due diligence.“
Auch die von Rothlauf (2012, S. 119 f.) zitierten Studien ergeben, dass 91 % der Befragten folgende Frage bejahen: „Do cultural differences often proof to be an obstacle?“ Bei Müller und Gelbrich (2015, S. 506) heißt es unter dem Punkt „Vor- und Nachbereitung der Fusion“ auf Basis regelmäßiger Erhebungen der Unternehmensberatung Bain & Company, „‚due diligence’ nicht ernsthaft genug und schon gar nicht als ‚cultural due diligence’ betrieben“ sowie „die weichen, aus unverträglichen Unternehmenskulturen erwachsenden Hemmnisse falsch beurteilt zu haben“.
Der Kommunikationsspielraum während des Transaktionsprozesses bleibt naturgemäß bis zum Closing sehr begrenzt. Dadurch entstehen Gerüchte bei vielen Stakeholdern, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln oft eine ablehnende Haltung aufgrund ihrer negativen Erwartungen. Daher ist es ab dem Zeitpunkt der Ankündigung eines derartigen Vorhabens umso wichtiger, eine vorausschauende, laufende und transparente Kommunikationspolitik zu praktizieren, um Unsicherheiten und Ängste zu reduzieren. Die Kommunikationsstrategie muss darüber hinaus auf Lieferanten, Kunden und bei Bedarf weitere Betroffene ausgedehnt werden.
Der Versuch, Unternehmenskulturen zu verzahnen, verursacht durch Betonung der kulturellen Unterschiede oft übertriebene Abgrenzungen und aktiviert Ablehnung in beiden Organisationen. Es gilt, von vorneherein, auf Grundlage identifizierter Gemeinsamkeiten, mögliche Konflikte zu vermeiden und konstruktiv mit auftretenden umzugehen. Im Idealfall produziert kulturelle Heterogenität Kreativität und Innovationskraft und erhöht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit. Neuere empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch die Erstellung sogenannter Kulturprofile im Rahmen einer kulturellen Due Diligence positive Effekte in der Harmonisierung beider Kulturen ergeben.
Die scheinbar abstrakte Komplexität der im interkulturellen Kontext besonders wichtigen qualitativen Dimension in Form der Inter-Cultural Due Diligence ist Hauptursache dafür, warum viele „faktenorientierte“ Führungskräfte ihre Bedeutung nicht erkennen können oder wollen. Auch sprachliche Unterschiede werden nicht ausreichend beachtet. Dadurch erhöhen Managerinnen insgesamt unwissentlich das Risiko eines Scheiterns der M&A-Transaktion.
Kulturpolitik als umfassender Managementansatz
Bei der Akquisition eines Industrieunternehmens in China wurden von der Vorbild AG als erstes mögliche Probleme sowie strategische Ziele definiert. Dabei wurde unsere Expertise als externer Berater beigezogen. Der Ausgangspunkt war, dass im Integrationsprozess
grundsätzlich zwischen zwei potenziellen Konfliktquellen in Bezug auf kulturelle Integrationsprobleme unterschieden werden kann.
Einerseits fehlt eine Übereinstimmung inhaltlicher Art zwischen dem informellen sowie formellen Werte- und Normensystem der Unternehmen. Informelle Elemente sind nur schwer zu entschlüsseln und erst über einen längeren Zeitraum im Kern zu verstehen. Die damit verbundenen Probleme werden im Laufe der Zeit zunehmend erkennbar, und Lösungen können durch ein geeignetes Kommunikationskonzept und Anlaufstellen gefunden werden.
Andererseits entstehen Konflikte durch die Veränderung bestehender sichtbarer Praktiken, Systeme, Strukturen und Prozesse. Veränderungen während der Integration sind mit neuen Verhaltensanforderungen verbunden, und somit wird die in der Kultur liegende Konsistenz erheblich gestört. Als Beispiel kann hier angeführt werden, dass ein neues oder gar zwei divergierende Entlohnungssysteme etabliert werden sollen. Es spielt auch eine große Rolle, ob es sich um eine freundliche oder „feindliche“ Trans-
aktion handelt. In letzterem Fall muss die ICDD einerseits besonders beachtet werden, andererseits mag es Widerstände Betroffener geben. Die Verfügbarkeit und Ermittlung erforderlicher Daten kann dadurch eingeschränkt werden. Das Konfliktpotenzial hängt im
Wesentlichen von der Integrationsstrategie ab. Wir unterscheiden zwischen drei praktikablen Strategien einer Kulturpolitik: Kulturpluralismus, Kulturkombination und Kulturübernahme. Die Anwendbarkeit dieser Ansätze hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Ausmaß des Cultural Gaps.
Im Kulturpluralismus sollen kreative und motivationale Elemente jeder Unternehmenskultur erhalten werden. Das heißt, selbst dem übernommenen Unternehmen wird größtmögliche Flexibilität bezüglich autonomer Entscheidungen gewährt. Die Unternehmen sind
bestrebt, eine kulturelle Vielfalt zu entwickeln, da sich daraus Vorteile wie verschiedene Perspektiven und Inputs ergeben, die bei organisatorischen Problemen zu schnellerer und effektiverer Lösungsfindung führen. Probleme könnten sich hier insoweit ergeben, dass Synergien nicht im gewünschten Maße erzielt werden, da die Risikoverteilung im Vordergrund steht.
Bei der Kulturkombination ist es das Ziel, die Stärken beider Kulturen miteinander zu vereinen. Es bleibt somit keine der beiden Kulturen, so wie sie existierten, bestehen. In diesem Ansatz gilt es, die verschiedenen Elemente zu kombinieren. Wobei keine Kultur
dominieren soll, um eine einheitliche harmonisierte, dritte bzw. neue Unternehmenskultur zu erschaffen. Voraussetzungen für die Kombination sind die Flexibilität beider Unternehmen, intensive Kommunikation sowie Interaktion.
Im Fall der Kulturübernahme wird die Kultur des akquirierten Unternehmens durch die beherrschende Kultur des übernehmenden ersetzt. Durch das Aufzwingen der neuen Kultur kommt es zu einer Vielzahl von Spannungen und Konflikten. Zur Verringerung
dieser Konflikte kann möglicherweise ein sehr gutes Image des Käufers bezüglich Fairness, Glaubwürdigkeit und Erfolg führen.
Im Fall der Vorbild AG wurde eine differenzierte Kulturkombination angestrebt. Es wurden vorab offen mögliche Risiken und Nachteile erörtert, um einen erfolgreichen Einsatz der Cultural Due Diligence nicht zu gefährden. Die ICDD setzt professionelles
Management, persönliche Ressourcen sowie Erfahrung voraus. Diese waren hier, nicht zuletzt aufgrund bereits früher getätigter Akquisitionen, vorhanden. Des Weiteren wurden die zusätzlichen Kosten evaluiert und die Überzeugung gewonnen, dass diese bestens
investiert sind und einen hohen Return on Investment gewährleisten. Letztendlich erfordert die ICDD einen zeitlichen Aufwand, der sich allerdings durch Vermeidung von Konflikten sowie raschere produktive Integration der Organisationen nachträglich mehrfach wieder kompensieren sollte. Die benötigte Datenbasis war einerseits bereits vorhanden, andererseits konnten fehlende Informationen großteils erhoben werden.
Phasen der Inter-Cultural Due Diligence
M&A-Transaktionen sind komplexe Prozesse, die nur hilfsweise als Phasenmodell dargestellt werden können. Eine genaue Abgrenzung der Teilphasen ist nicht möglich. Als strategischer Ansatz sowie zur Orientierung für die Integration von ICDD in M&A-Prozessen haben sich Phasenmodelle bewährt, die den chronologischen Ablauf einer M&A-Transaktion wiedergeben sollen. Strähle (2004, S. 16 f.) stellt zum Beispiel Fünfphasenmodelle vor. In der Praxis haben sich Dreiphasenmodelle bewährt. Solche Konzepte finden
sich unter anderem bei Strähle (2004, S. 20 ff.) sowie bei Schuppener (2006, S. 12 ff.). Diese Modelle können auch sehr gut in gegenseitiger Ergänzung mit Lanes Mapping-Bridging-Integrating-(MBI-)Modell eingesetzt werden (Lane und Maznevksi 2014, S. 71 ff.).
Abb. 1 gibt ein integriertes, beispielshaftes Phasenmodell eines Inter-Cultural-Due-Diligence-Prozesses wieder, dessen Grundstruktur mit ihren Einzelschritten hier kompakt beschrieben wird. Der Schwerpunkt liegt infolge unseres Ansatzes auf dem ersten Schritt.
Analyse, Strategie und Konzeption der Pre-ICDD in der Pre-Merger-Analyse (PMA)
- Als erstes erfolgt im Sinne des Mapping eine Analyse der eigenen Unternehmenskultur (wenn möglich mittels Mitarbeiterinnenbefragungen etc.) sowie der Branchenkultur. Zu letzterer gehört auch die strategische Positionierung innerhalb der Branche,im Verhältnis zu Konkurrenten und die Wahrnehmung bei den Kunden. Anschließend
wird die Strategie inklusive Identifikation potenzieller Partner erstellt. In der folgenden Kulturdiagnose werden die Landes- und Branchenkulturen sowie die Kulturen der (so weit wie möglich beiden) Unternehmen verglichen. Wissenschaftlich fundierte
Befragungen ergänzen die Analyse ebenso wie die Einbeziehung öffentlich zugänglicher Daten wie zum Beispiel die Studie von Geert Hofstede (2005) und die GLOBE-Studie (House et al. 2004) oder Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie glassdoor und
kununu (https://www.glassdoor.at/index.htm bzw. https://www.kununu.com). Hofstede arbeitet bevorzugt mit seinen fünf ursprünglichen Länder-Kulturdimensionen (2005, S. 39–240). Des Weiteren weist er (2005, S. 348) insbesondere auch auf die Relevanz einer Kulturanalyse hin: „It is advisable to let foreign (and domestic) acquisitions be preceded by an analysis of the cultures of the corporation and of the acquisition candidate […]. Cross-national mergers are therefore extremely risky. […] an analysis of the corporate and national cultures of the potential partners should be part of the
process of deciding to merge“. Auf dieser Grundlage werden alle erfassten Daten nach einem pragmatisch-intuitiven Ansatz typologisiert und instrumentalisiert. Es folgt dieFeststellung des mehr oder weniger groben „Cultural Fit“, also der Kompatibilität der Unternehmens- und Länderkulturen. - Durch Identifikation „kultureller Distanzen“ werden Chancen sowie potenzielle kulturelle Risiken (Dealbreaker) erkannt und Maßnahmen für eine Risikominimierung bei gleichzeitiger Chancenoptimierung definiert.
- In dieser Phase können die Vorverträge (Letter of Intent, Vertraulichkeitserklärungen) unterzeichnet werden.....